Für eine gewisse Zeit konnte man den Eindruck gewinnen, dass gesellschaftliche Bemühungen, die aufklärend gegenüber rassistischen und auch antisemitischen Äußerungen oder Handlungen aufgetreten sind, ihre Früchte tragen. Aktuell muss diese Einschätzung aber wohl verändert werden: Gesellschaftliche Debatten rund um Migration und auch solche vor dem Hintergrund des Krieges im Nahen Osten befeuern rechtspopulistische bzw. -extreme Äußerungen und damit von Neuem rassistische Aussagen und Übergriffe. Insgesamt ist die Bedrohung, dass Ideologien wieder ‚glaubhaft‘ werden, in letzter Zeit deutlich gestiegen: Sexistische, gender-feindliche, rassistische, antisemitische, esoterische oder neoliberale Dimensionen von Ideologie sind aktuelle Herausforderungen der Gesellschaften in Europa. Diese Tendenzen zeigen einerseits die Fragilität aller Anstrengungen, andererseits aber auch die Notwendigkeit, dass Rassismuskritik, Antisemitismuskritik und Ideologiekritik im Allgemeinen ständiger Bestandteil auch religiöser Bildung bleiben müssen. Dabei gilt es, je neu aktuelle Herausforderungen zu identifizieren, zu analysieren und Möglichkeiten herauszuarbeiten, wie im Kontext eines pluralen Zusammenlebens, das einerseits immer offener, aber auch immer radikaler zu werden scheint, damit/mit diesen? umgegangen werden kann.

Diese Ausgabe möchte aus dieser komplexen Konstellation die Ideologie des Rassismus bzw. die Bemühungen einer rassismuskritischen Religionspädagogik in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, welche in den letzten Jahren erste Konturen gewonnen und Gestalt angenommen hat. Verstärkt wird dabei im Kontext der eingangs genannten Aufmerksamkeiten bspw. auf rassistische Zuschreibungs- und Exklusionsprozesse und christliche Verstrickungen mit Rassismus geachtet. Ein zentrales Anliegen hierbei ist es, rassismuskritische Denkformen in Auseinandersetzung mit unterschiedlichen (z.B. religionsdidaktischen, bildungstheoretischen oder religionspädagogischen) Fragestellungen für den Kontext religiöser Bildung zu entwickeln. Obwohl diese Fragestellungen aus durchaus diversen Theoriebezügen analysiert werden, scheint eine dominante Einsicht vorzuherrschen: Eine rassismuskritische Religionspädagogik muss sich anders als nur an der Überwindung von (religionsbezogenen rassistischen) Stereotypen oder Vorurteilen orientieren, um der strukturellen Dimension rassistischen Denkens nicht unterkomplex zu begegnen.

Die ersten rassismuskritischen Überlegungen und Skizzen im Kontext des religionspädagogischen Diskurses zeigen deutlich, wie tief rassistische Strukturen in Fragen des europäischen Selbstverständnisses verwoben sind und welche Bedeutung Religionen in diesen Fragen von Identität spielen. Es zeigt sich, dass sowohl Unterscheidungspraktiken als auch Fragen von Zugehörigkeit und Differenz aus rassismuskritischer Perspektive in der Religionspädagogik einer Aufmerksamkeit bedürfen, die im Zusammenspiel mit anderen Wissenschaftsdisziplinen bearbeitet werden müssen.

Vor der eingangs skizzierten zeitdiagnostischen Problemstellung erscheint es darüber hinaus gefordert, Rassismuskritik vermehrt in Zusammenhang mit anderen ideologiekritischen Zugängen zu betreiben (wie etwa Antisemitismus oder Sexismus, aber auch neoliberalen Ideologien) und verschiedene Zugänge und Theoriebezüge in spannungsvoll-produktive Verhältnisse zu setzen, um mögliche Konflikte und Herausforderungen reflektiert herauszuarbeiten und darzustellen – um nicht zuletzt auch den Vorwürfen der Ideologisierung von Rassismuskritik selbst begegnen zu können.

Ausgehend von diesen Überlegungen wollen wir in diesem Themenheft somit schwerpunktmäßig Beiträge versammeln, …

  • … welche die bisherigen Überlegungen im Kontext rassismuskritischer Religionspädagogik strukturieren können, dabei Stärken und Schwächen herauszuarbeiten versuchen und weiterführende Überlegungen anstellen;
  • … die bestehendes Material nicht nur dekonstruieren, sondern auch exemplarische und elementare Möglichkeiten rassismuskritischen Lernens im Kontext religiöser Bildung erarbeiten;
  • … die theologische Überlegungen kritisch auf Rassismus begünstigende Aussagen hin überprüfen und theologische Begründungen einer rassismuskritischen religiösen Bildung in den Fokus rücken;
  • … die relevante Fragen im Verhältnis von Wissen, Macht und Universalitätsansprüchen aus bildungstheoretischer-rassismuskritischer Perspektive identifizieren und analysieren;
  • … die rassismuskritische Ansätze im Kontext religiöser Bildung im Gespräch mit anderen ideologiekritischen Zugängen zu entwickeln versuchen;
  • … welche die emotionale Dimension rassismuskritischer Lernprozesse verstärkt berücksichtigen;
  • … die Genealogien rassistischen (religiösen) Denkens nachzeichnen und die dabei identifizierten Fragestellungen für den Kontext religiöser Bildung bearbeiten.

Wir laden herzlich dazu ein, Beiträge speziell zur Thematik dieses Heftes bzw. auch über das Thema hinausgehende Beiträge zu verfassen und für die Ausgabe des ÖRF einzureichen, die im Frühjahr 2025 erscheinen wird.

 

Wir bitten Sie, uns die Ankündigungen Ihres Beitrages (Abstract) an folgende Mail-Adresse zu senden: oerf.redaktion@uni-graz.at. Sie erhalten daraufhin eine Rückmeldung. Wenn Sie ein positives Feedback von uns erhalten haben und ihr Beitrag fertiggestellt ist, laden Sie diesen selbstständig auf unsere Website hoch: http://oerf-journal.eu/.

 

Wir bitten ebenso um die Bekanntgabe von Publikationen, die in letzter Zeit entstanden sind und die rezensiert werden sollten, sowie um Kurzbeschreibungen sehr guter wissenschaftlicher religionspädagogischer Qualifizierungsarbeiten an den verschiedenen Standorten (Master- oder Diplomarbeiten…)!

 

Den Ablauf zur Einreichung sowie alle entsprechenden Formalia
finden Sie auf unserer Homepage: http://oerf-journal.eu/

 

Wir bitten dringend, die Manuskriptrichtlinien genau einzuhalten!

 

 

Verantwortlich für die inhaltliche Konzeption dieser Ausgabe

Prof.in Dr.in Andrea Lehner-Hartmann, Universität Wien

Dr. David Novakovits, Universität Wien

 

Zeitplan

Vorschläge für Beiträge erbitten wir bis: 27. Oktober 2024

Abgabetermin aller Beiträge für das Peer-Review-Verfahren: 15. Dezember 2024

Abgabetermin für Rezensionen und Qualifikationsarbeiten: 16. Februar 2025

Erscheinungsdatum: Frühjahr 2025