Bd. 27 Nr. 2 (2019): Religionspädagogik in der frühen Kindheit
Die Frage nach Religion in der frühen Kindheit erfährt gegenwärtig in pädagogischen, medialen und gesellschaftspolitischen Diskursen neue Aufmerksamkeit, was einerseits als Zeichen für eine positive Entwicklung gedeutet werden kann, andererseits einer kritischen Beobachtung und Reflexion seitens der Religionspädagogik bedarf. Die Auseinandersetzungen verlaufen kontrovers: Wurde die Frage nach religiöser Bildung im Österreichischen BildungsRahmenPlan für Elementarpädagogische Bildungseinrichtungen 2009 noch ausgeblendet, so erhielt sie nicht zuletzt durch die Debatte um die sogenannten ‚islamischen Kindergärten’, einen Ethikleitfaden der Stadt Wien sowie in der Diskussion um ein Kopftuchverbot in Kindergärten und einen Wertekatalog als ‚bundesländer-übergreifender und verpflichtender Leitfaden’ in Österreich neue Brisanz. Zugleich wird Religion als Quelle für eine spirituell-religiöse Identitätsentwicklung, als Ressource für Kinder mit Fluchterfahrungen und als Brücke in der Begegnung einander fremder Menschen angesehen. Solche Diskurse greifen auf unterschiedliche Felder frühkindlicher Entwicklung zu, vor allem auf elementarpädagogische Bildungseinrichtungen. Sie lösen zum einen Ängste und Unsicherheiten aus, bringen aber auch ein Bedürfnis nach Orientierung, Bildung und Reflexion der eigenen Praxis hervor. ElementarpädagogInnen sind insbesondere vor die Herausforderung gestellt, wie sie die Vielfalt an Weltanschauungen und religiösen Prägungen, aber auch religiöse Distanzierung in ihrem Berufsalltag vereinen können, der nach wie vor stark vom Ablauf des christlichen Kirchenjahres geprägt ist. Zugleich stehen mediale und gesellschaftspolitische Ansprüche einer Identitätspolitik im Raum, die eine Trennlinie zwischen ‚Wir’ und den ‚Anderen’ forciert. Kein Wunder also, dass dieses Konglomerat eine Vielzahl an Umgangsweisen mit Religion(en) hervorbringt, die einer verstärkten Reflexion und konzeptionellen Bearbeitung bedarf. Dabei ist die frühe Kindheit längst nicht mehr als bloße Adressatin (religions)pädagogischer Überlegungen anzusehen, sondern als eine Quelle für gesellschaftspolitisch relevante Praxis und als eine Fundstelle für theologische Erkenntnis.