Bd. 27 Nr. 1 (2019): Religionspädagogik und Politik
Das Verhältnis von Religion und Politik ist eine Schlüsselfrage der modernen Staatenkonzeption. In diesem Zusammenhang ist auch das Verhältnis von religiöser Bildung und Politik zu reflektieren: Ein großer Teil der religiösen Bildung im deutschsprachigen Raum ist durch das öffentliche Recht geregelt und damit Teil politischer Prozesse und Entscheidungen, dies betrifft etwa den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, theologische Fakultäten an öffentlichen Universitäten oder die staatliche Anerkennung von privaten religiösen Bildungseinrichtungen. Zuletzt wurde auch eine Tendenz zur Legitimierung der religiösen Bildung an öffentlichen Schulen auf Grund von Überlegungen der Staatsräson sichtbar, wenn etwa Religionsunterricht (allein) mit dem Argument der Fundamentalismusprävention unterstützt wird. Die Diskussion um konfessionelle Kindergärten wirft zudem die Frage auf, in welcher Weise der Staat religiöse Bildungseinrichtungen (öffentliche wie nicht-öffentliche) legitimieren und reglementieren soll. Davon unmittelbar betroffen sind auch Fragen der Religionsfreiheit und der Toleranz. Aber auch Religionsunterricht und religiöse Bildung selbst haben eine immanente politische Aufgabe: Religionen sind Teil der Zivilgesellschaft und nehmen an politischen Diskursen teil. Politische Fragen wie Gerechtigkeit, Armut oder Frieden sind zugleich Anliegen und Fragen der Religionen. Daher stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise religiöse Bildung dazu befähigen muss, an diesen zivilgesellschaftlichen Prozessen teilhaben zu können, was zugleich eine Frage der Demokratiebildung ist. Kurz gesagt: Wie politisch muss Religionspädagogik sein, wenn auch die Religionen selbst Teil des öffentlichen politischen Lebens sind? Ebenso ist zu klären, ob in religiösen Bildungsprozessen tages- und parteipolitische Fragen angesprochen werden und ReligionspädagogInnen sich politisch positionieren sollen; dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Angehörige von Religionen im gesamten politischen Spektrum zu finden sind und sich keineswegs eine Übereinstimmung von Religiosität und einer bestimmten politischen Positionierung ausmachen lässt. Dabei geht es sowohl um eine grundsätzliche, theoretische Positionierung einer wissenschaftlichen Religionspädagogik als auch um konkrete Bildungsprozesse in Schulen, Universitäten und Gemeinden, die auf eine „politisch intendierte Religionspädagogik“ (Rickerts) hinweisen.